Mittwoch, 16. Mai 2007
Realität und Seifenblasen
Es ist wieder einmal spät Abends. Nach langer Überlegung habe ich mich nun doch entschieden mal von der Leber weg zu reden. Vielleicht sollte ich mich kurz vorstellen. Ich bin gute 21 Jahre alt mehr oder weniger noch in der Ausbildung. Naja viel mehr gibts da nicht zu erzählen. Eigentlich wollte ich nur mal meine Gedanken nieder schreiben. Ich frage mich in letzter Zeit immer häufiger was los ist. Unsere Gesellschaft hat sich ein Gefängnis geschaffen und das wesentliche aus den Augen verloren. Alles was noch zählt ist Geld und Arbeit. Wieso sollte ich mich mein ganzes Leben lang quälen, einer Arbeit nachgehen die mich ohnehin nicht interessiert um damit meine Existenz zu rechtfertigen resp. um mir einen gewissen Lebensstandard zu erkämpfen, den ich sowieso nicht geniessen kann. Der Durchschnittsarbeiter arbeitet doch 5 Tage in der Woche ca 8-9 Stunden pro Tag. Was hat man schlussendlich effektiv davon? Mit etwas Glück ein grosses Haus, ein paar Viecher, später vielleicht Kinder. Und wann hat man Zeit das Ganze zu geniessen, etwas davon zu haben? Mit etwas Glück am Wochenende - was für mich nur ein weiterer Freiraum ist damit wir die Gitterstäbe nicht riechen. Tag ein Tag aus dasselbe. Routine. Doch irgendwann werden wir auch mal sterben. Was haben wir dann vom Leben gehabt? Uns abgerackert und gestresst. Ich möchte jedenfalls nicht auf ein solches Leben zurückblicken. Ist es nicht der Sinn des Lebens es zu leben und zu geniessen? Freude am kleinen zu entwickeln, seinen Sinn im Leben zu finden. Dafür wird uns keine Zeit mehr gelassen. Wir leben in einem System das der Sklaverei nicht fern ist. Nur das dies die weiterentwickelte Form ist. Wir werden schon früh gespuhrt angefangen in Kindergarten, wo wir zum ersten Mal mit geregelten Tagesablaufen konfrontiert werden, wo man uns an Routine gewöhnt. Natürlich bekommt man in dieser Zeit noch viel Freiraum sonst könnte man ja den Braten schon zu früh riechen. Sobald es Zeit wird in die Schule zu gehen wird das Ganze schon etwas konkreter. Man erhält Stundenpläne, es werden Leistungen erwartet - gute Noten, korrektes Verhalten. Das System beginnt das Individuum zu integrieren und nach seinen Vorstellungen zu formen. Der Druck wird zunehmends grösser, die Freizeit kleiner - die Spirale hat ihren Anfang genommen. Ich denke die meisten Menschen realisieren erst im Alter von ca. 30 Jahren in der sagenumwobenen Midlife-Crisis das sie ihr halbes Leben schon vergeudet und sich einem sinnlosen, repressiven, kapitalistischen System unterworfen haben. Es ist nicht mehr der Mensch der zählt, es ist seine Leistung, seine Rentabilität. Outsourcing wird heute gross geschrieben ob die Betroffenen dabei zugrunde gehen ist im Prinzip egal - auf dem Arbeitsmarkt hat es ja noch genug Arbeitskräfte die Arbeit suchen und ev. sogar noch günstiger sind.

Die in unserer Gesellschaft so hoch gepriesene Freiheit ist nicht mehr Existent. Die Repression und Zensur wird immer grösser. Das Individuum ist nach wie vor der Masse untergeordnet. Man darf so sein wie man ist, solange man konform ist. Ist dies nicht der Fall wird man gezwungen sich anzupassen. Der Mensch fürchtet sich nach wie vor vor dem Unbekannten - was der Bauer nicht kennt frisst er nun mal nicht. Ich weiss oft nicht ob ich lachen oder weinen soll. Irgendwie ist es traurig, wie kann man die Augen vor dieser Realität verschliessen, wie kann man sich Sorgen um seine Frisur oder seine Haarfarbe machen während am anderen Ende der Welt Menschen aufgrund unseres Systems sterben.

Wir geniessen unumstritten hohe Privilegien verglichen mit anderen Ländern, nutzen diese jedoch nicht. Es ist viel gemütlicher sich eine Seifenblase zu generieren, seine eigene kleine Welt, in dieser zu Leben und zu hoffen, dass sie niemand zerstört. Doch was wenn man nicht in einer Seifenblase leben will?

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